/Predigt gehalten in der Kirche Vordemwald am 17. Sonntag nach Trinitatis, 12.10.2025/
[9] Wenn du also mit deinem Mund bekennst: »Jesus ist der Herr!«Und wenn du aus ganzem Herzen glaubst: »Gott hat ihn von den Toten auferweckt!«
Dann wirst du gerettet werden.
[10] Denn aus dem Herzen kommt der Glaube, der gerecht macht. Und aus dem Mund kommt das Bekenntnis, das zur Rettung führt. [11] So steht es ja in der Heiligen Schrift: »Wer an ihn glaubt, wird nicht zugrunde gehen.« [12] Das gilt ohne Unterschied für Juden und Griechen. Alle haben ein und denselben Herrn. Und der lässt alle an seinem Reichtum teilhaben,die ihn anrufen.
[13] Denn es heißt ja auch: »Jeder, der den Namen des Herrn anruft, wird gerettet werden.«/Römer 10, 9-13/
Liebe Gemeinde,
Eigentlich klingt es ganz einfach: Bekenne dich zu Jesus, und alles wird gut. Wer sich zu Jesus bekennt, sichert sich die Unterstützung Gottes – so scheint es zumindest. So einfach und klar tönt auch unser heutiger Predigttext. Doch ist es wirklich so einfach? Genügt es, ein Bekenntnis abzulegen? Kann ich danach getrost davon ausgehen, dass Gott endgültig auf meiner Seite ist?
Ich denke, so einfach ist es nicht. Wenn die Beziehung zu Gott tatsächlich so funktionieren würde, wäre Gott wie ein Automat, der auf Knopfdruck Gnade schenkt. Aber der lebendige Gott der Bibel lässt sich nicht in eine solche Formel einsperren. Er ist kein Automat, sondern ein Gegenüber – frei, lebendig und beziehungsfähig.
Wie also soll das gehen – das Bekennen, der Glaube, die Beziehung zu Gott?
In der Schriftlesung haben wir eine eindrückliche Geschichte aus der Zeit der Landnahme Israels gehört. Eine Frau, Rahab, musste sich zu Gott bekennen – und das in einer Situation, die für sie gefährlich war. Ihr Glaube blieb nicht beim Wort; er führte zum Handeln. Und dieses Handeln hatte Konsequenzen. Rahab war bereit, diese zu tragen.
Wenn wir diese Geschichte mit unserem Predigttext zusammen betrachten, erkennen wir etwas Entscheidendes: Glaube und Handeln gehören zusammen. Rahab hat nicht nur geglaubt, sondern entsprechend gehandelt. Und genau das ist der Kernpunkt, wenn wir von der Kraft des Glaubens sprechen. Glaube gestaltet das Leben – unseren Alltag, unsere Entscheidungen, unsere Welt –, sofern er nicht an der Oberfläche bleibt.
Wenn wir dem Sinn des Predigttextes näherkommen möchten, müssen wir hier einsetzen:
Was ist uns der Glaube an Jesus Christus wert? Ist mir der Glaube etwas wert? Ich bin mir sicher, dass alle, die heute hier sind, diese Frage mit einem grossen Ja beantworten würden. Schliesslich haben Sie sich aufgemacht und sind in die Kirche gekommen – also bedeutet Ihnen der Glaube etwas. Doch was, wenn diese Frage nicht nur theoretisch ist, sondern ganz konkrete Folgen mit sich bringt?
Ich bin in einem Land aufgewachsen, in dem Glaube und Christentum zwar geduldet waren, man aber mit Konsequenzen rechnen musste. Mir war bewusst: Meinen Traumberuf werde ich nicht ergreifen können – es sei denn, ich verleugne alles, wofür meine Familie stand. Es war klar: Entweder das – oder ich nehme das, was mir an Möglichkeiten bleibt. Ich habe diesen Weg gewählt und bin bis heute dabei geblieben.
Ich bin dabei vielen Menschen begegnet, die um ihres Glaubens willen einen schweren Lebensweg auf sich nehmen mussten. Als junger Mensch fragte ich sie: Bereut ihr das? Würdet ihr heute etwas anders machen? Und alle antworteten: Nein, es war richtig so – auch dann, wenn es uns das Leben schwer gemacht hat.
Ich erzähle Ihnen das, um deutlich zu machen: Die Frage nach Glauben und Handeln ist keine vergangene oder abstrakte. Sie betrifft auch uns – heute, hier und jetzt.
Wenn wir unseren Predigttext aufmerksam hören, wird klar: Es geht um das Verhältnis zwischen Glauben und Lebenshaltung. Der Glaube soll nicht nur im Wort bestehen, sondern aus der Tiefe des Herzens kommen. Diese Formulierung ist nicht zufällig gewählt. In der deutschen Sprache steht das Herz für die Gesamtheit des menschlichen Lebens. Wir sagen zum Beispiel: „ein herzensguter Mensch“ – und meinen jemanden, dessen ganzes Leben von Güte geprägt ist.
So ist es auch mit dem Glauben: Wenn er aus der Tiefe des Herzens kommt, prägt er das ganze Leben. Wer so lebt, macht deutlich, dass Nachfolge Christi nichts ist, was man nebenbei betreiben kann. Sie ist eine Lebensaufgabe, ein Weg, der das Ganze des Lebens beansprucht.
Im Mittelalter sprach man oft von der imitatio Christi – der Nachahmung Christi. Gemeint war damit eine Lebenshaltung, die sich an dem orientiert, was Jesus von Nazareth vorgelebt hat. Diese Nachahmung war nicht äusserlich, sondern Ausdruck einer inneren Haltung. Der christliche Glaube ist also eine Kraft, die das Leben formt und verwandelt. Wenn das wahr ist, müssen wir dem Bekenntnis eine tiefere Bedeutung beimessen.
In der Schweiz kennen wir in unseren reformierten Kirchen seit dem 19. Jahrhundert die Bekenntnisfreiheit. Das bedeutet aber nicht, dass der Mensch sich nicht bekennen soll – im Gegenteil: Das Bekenntnis geschieht nicht nur durch Worte, sondern durch das Leben, durch Haltung und Taten. Darauf kommt es an.
Es kommt darauf an, wie wir im Alltag die Werte des Glaubens leben, welche Entscheidungen wir treffen, wie wir urteilen und handeln. Man könnte meinen, das sei nicht so relevant – dass es für die Welt keinen grossen Unterschied mache, ob man als Christin oder Christ lebt. Doch das stimmt nicht.
Jesus Christus hat uns kein starres dogmatisches System hinterlassen, sondern ein Lebensbeispiel. Dieses Beispiel gilt es nachzuahmen, wenn wir glaubwürdig Christinnen und Christen in dieser Welt sein wollen.
Man klagt manchmal darüber, dass das Christentum heute keinen entscheidenden Einfluss mehr habe. Vielleicht sollten wir weniger klagen – und stattdessen bei uns selbst beginnen. Was bedeutet mein Glaube an Gott, den Schöpfer, Erlöser und Vollender?
Paulus hat der Gemeinde in Rom deutlich gemacht: Es geht nicht um grosse Gesten oder öffentliche Inszenierungen, sondern um die Haltung, die unseren Alltag prägt. Das Leben soll vom Beispiel Christi durchdrungen sein – in Worten, Taten und Entscheidungen. Die imitatio Christi ist nicht bloss ein mittelalterliches Ideal, sondern eine bleibende Einladung – auch heute, auch für uns.
Die Frage ist nun: Was ist der Inhalt dieses rettenden Bekenntnisses im Alltag?
Die Antwort führt uns zurück zu Jesus von Nazareth. Er, der Christus, ist Gottes Liebesbeweis an uns Menschen. In ihm wird Gottes Güte und Menschenfreundlichkeit sichtbar. Wer das glaubt, weiss: Gott ist und bleibt ein Freund des Menschen – auch dann, wenn die Lebensumstände schwierig sind. Selbst in den Sackgassen des Lebens bleibt Gott uns zugewandt. Gerade dort soll der Glaube tragen, helfen, aushalten.
Glaube an Gott, den Erlöser, bedeutet auch: sich zu seiner Liebe zugehörig zu wissen – und dies zu bekennen. In einer Welt, in der fast alles von Leistung und Verdienst abhängt, bekennt sich der Mensch zu einem Gott, der uns ohne Bedingungen und unverdient liebt. Diese Gewissheit verändert die Haltung zum Leben. Sie schenkt Kraft und Gelassenheit – nicht, weil die Schwierigkeiten verschwinden, sondern weil wir sie getragen wissen.
Ein alter Lehrer von mir, der um seines Glaubens willen das schlimmste Internierungslager überlebt und später unter der Diktatur gelitten hat, sagte einmal einen Satz, der mir bis heute geblieben ist:
„Es ist einfach, die Dunkelheit zu verfluchen – viel schwieriger ist es, eine Kerze anzuzünden.“
Das habe er versucht zu leben, sagte er.
Ich denke, darin liegt alles Wesentliche, was ein Bekenntnis zu Gott, dem Schöpfer, Erlöser und Vollender, bedeuten kann. Jedes Bekenntnis, jedes glaubwürdige Leben ist eine Kerze, die gegen die Dunkelheit dieser Welt brennt. Wer glaubt und dementsprechend lebt, bewahrt ein Stück Hoffnung – nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere, die vielleicht gerade keine Kraft zum Glauben haben.
In der Schriftlesung haben wir von einer Frau gehört, die glaubte und handelte – und damit ihre Familie rettete. Sie tat nichts Grosses, aber ihr Glaube und ihr Bekenntnis wurden zum Zeichen der Hoffnung.
Genau das ist es, was uns auch unser Predigttext zuspricht:
Ein Bekenntnis, das gelebt wird, rettet Hoffnung. Es zündet eine Kerze an in der Dunkelheit. Eine einzige Kerze kann die Finsternis nicht vertreiben – aber sie schenkt genug Licht, damit Hoffnung Raum gewinnt.
Amen

