Befreiung aus der Müdigkeit

B

Predigt gehalten in der Stadtkirche Zofingen, am 25.12.2024

7 Wie lieblich klingen die Schritte des Freudenboten auf den Bergen, der Frieden verkündet, der gute Botschaft bringt, der Rettung verkündet, der zu Zion spricht: Dein Gott ist König geworden!

 8 Horch, deine Wächter haben die Stimme erhoben, allesamt jubeln sie, denn Auge in Auge werden sie sehen, wie der HERR zurückkehrt nach Zion.

 9 Freut euch, jubelt allesamt, ihr Trümmerstätten Jerusalems! Denn der HERR hat sein Volk getröstet, hat Jerusalem erlöst.

 10 Vor den Augen aller Nationen hat der HERR seinen heiligen Arm entblösst, und alle Enden der Erde werden das Heil unseres Gottes sehen.

(Jes. 52:7-10)

Liebe Gemeinde,


Eine seltsame Weihnachtszeit erleben wir gerade. So vieles ist anders als wir es noch vor kurzer Zeit gedacht hätten. Die Weihnachtsmärkte in Europa durften dieses Jahr stattfinden, aber nur unter schweren und schwersten Sicherheitsvorkehrungen. Die Frage ist real: Wie soll jetzt denn weitergehen, was wird mit unseren Traditionen, was wird mit uns alles noch geschehen? Und dennoch, wir dürfen Weihnachten feiern. Können wir dies noch tun? Ist uns die Lust danach gar vergangen jetzt, wo viele der Äusserlichkeiten des Festes nicht mehr wie gewohnt zelebriert werden dürfen? Was bleibt von Weihnachten übrig, wenn man die festlichen Bräuche, einen nach dem anderen verändern, oder gar weglassen muss?  Haben wir noch irgendeinen Bezug zu dem, was Weihnachten ausmacht, oder stehen wir am Ende mit leeren Händen und mit einer riesigen Enttäuschung da?

Ich kann diese Fragen nicht für Sie beantworten. Vielleicht ist  aber auch dieses Weihnachtsfest eine Chance nach dem zu fragen, was denn dieses Fest für uns bedeutet. Wir haben als Schriftlesung die Weihnachtsgeschichte gehört. Nun haben wir eine andere Geschichte aus dem Alten Testament gehört, in der über den kommenden Botschafter Gottes die Rede ist: Der Gekommene, der kommen wird. Das ist das Wesentliche an Weihnachten. Dies kann uns auch in der trüben, von aktuelle Ereignissen beschatteten Weihnachtszeit Hoffnung und Zuversicht schenken.

Das Volk, welches die Worte der Propheten ursprünglich gehört hat, war schlicht und einfach müde. Sie sind ermüdet durch ihre Niederlagen, durch ihre negativen Erfahrungen, aber auch dadurch, dass ihre Sklaverei kein Ende zu haben schien. Jegliche Sicherheiten waren dahin. An ihrer Stelle machte sich eine bleierne Müdigkeit breit. Ich glaube, dies ist ein Lebensgefühl, das man sehr gut nachvollziehen kann und zwar auch heute noch. Hat nämlich der Mensch immer wieder negative Erfahrungen, setzen sich diese im Herzen des Menschen fest. Irgendwann dominieren sie das ganze Leben. So sehr man sich gegen diese Entwicklung wehrt, unsere innersten Kräften reichen allein nicht aus, um dieser Situation Herr zu werden. Dies erging den alten Israeliten ähnlich. Wenn sich dann eine bleierne Müdigkeit und  Resignation  im Leben des Menschen breitmacht, so hat man gar keine Chance mehr, selber weiterzumachen. Die Gründe für diesen Zustand können sehr vielfältig sein.  Sie haben aber eines gemeinsam: sie zwingen den Menschen dazu, sich einzugestehen, dass er am Ende seiner Kräfte ist. Das Volk zur Zeit des Jesaja hat diese Erfahrung machen müssen. Sie haben als Volk versagt. Die Einzelnen haben gar keine Energie mehr aufgebracht, um weitermachen zu wollen. Sie existierten zwar, aber sie lebten nicht.

Ich denke, solche Tendenzen kann man auch in unserer Gesellschaft erkennen können. Wenn man auf die aktuelle Weltlage schaut, auf die Bedrohungen in der Welt, so bekommt man leicht den Eindruck: es ist so ermüdend, nirgends geht es vorwärts. Wir bekommen den Eindruck, dass es im Grunde egal ist, was wir machen, besser wird es nicht. Und davon wird man müde. Diese Müdigkeit aber ist gefährlich, wenn sie nach unserer Seele greift.

Jesaja weiss davon. Deshalb richtet er die Aufmerksamkeit der Zuhörerinnen und Zuhörer auf das, was in solch einer Situation helfen kann. Er verwendet dafür das Bild eines Boten, der eine freudige Botschaft mitbringt. Diese freudige Botschaft ist die Rettung Gottes für sein Volk. Hilft dies noch irgendetwas? Hilft einem Volk  welches sich in den Fängen der allumfassenden, bleiernen Müdigkeit befindet, eine Botschaft von der Rettung Gottes?

Ich denke, die Hilfe einer guten Botschaft besteht darin, dass sie den Menschen aus dem Teufelskreis der wiederkehrenden Gedanken  herausreisst. Wer sich traut, auf die freudige Botschaft Gottes zu hören, der wird aus den Zwängen der eigenen,  möglicherweise berechtigten Sorgen und Ängste für einen Moment befreit. Und dieser kleine Moment reicht. Wacht der Mensch einmal aus dem Dornröschenschlaf der eigenen Müdigkeit  für einen Moment auf, so reicht dies, um neue Energien zu mobilisieren, so reicht es, um der Situation wieder Herr zu werden. Doch, dies geschieht nicht ohne Weiteres, schon gar nicht automatisch. Man muss den kleinen, aber so bedeutsamen Schritt tun: Man muss AUFSEHEN!

In der Weihnachtsgeschichte ist genau dies das grosse Wunder: Menschen, die nur noch die Kreise des eigenen Lebens gesehen haben, werden dazu gebracht, etwas anderes wahrzunehmen. Die Engel, die auf dem Feld bei der Hirten auftauchen, richten die Aufmerksamkeit auf die Möglichkeiten Gottes. Und dies macht es dann möglich, dass die Hirten aufstehen, dass sie etwas tun, um diesem Geheimnis näher zu kommen.

Weihnachten ist aber nicht ein einmaliges Geschehen in dem Sinne, dass dies damals in Betlehem geschah und uns darum nicht mehr zu beschäftigen braucht. Weihnachten ist eine wunderbare Möglichkeit, sich immer wieder neu auf die Möglichkeiten Gottes einzulassen, denn er kommt uns entgegen. Unser Predigttext verwendet dafür das Bild eines Boten, der eine freudige Botschaft verkündet. Diese Botschaft muss aber auch gehört werden. Weihnachten will uns helfen, die gute Botschaft von Gottes Güte und Menschenfreundlichkeit zu hören und wahrzunehmen. Gerade jetzt, inmitten so vieler Unsicherheiten, ist es lebensnotwendig, sich auf diese gute Botschaft zu konzentrieren.

In unserem Predigttext beschreibt der Verfasser des Textes diese gute Botschaft allerdings etwas eigenartig. Demnach ist die gute Botschaft, dass der Herr sein Volk getröstet hat. Ich frage mich, ob wir tatsächlich verstehen, was darin die gute Botschaft ist?

Dabei muss ich an meine Kindheit denken. Als Kind, wenn ich mir wehgetan hatte- und dies geschah relativ oft- bin ich zu meiner Mutter oder meinem Vater oder ganz oft zu meiner Grossmutter gegangen. Ich erinnere mich auch heute noch an das gute Gefühl, wenn sie mich getröstet haben. Nein, die Probleme sind nicht sofort weggezaubert worden, aber ich bekam das Gefühl, ich werde es schaffen. Ich meine, wahrer Trost zaubert unsere Probleme nicht weg. Er gibt uns aber die Zuversicht und Hoffnung, dass wir der Situation Herr werden können. An vieles in meinem Leben kann  und will ich mich nicht erinnern.   Ich möchte mich aber an die Hände meiner Mutter erinnern, wie sie mich tröstend gestreichelt hat in diversen Situationen im Leben. Das war in dem Moment Trost, weil ich wusste: Sie versteht mich. Sie ist bei mir. Sie versucht, mir zu helfen.

Wir feiern Weihnachten und wie jedes Jahr  hören wir auch diesmal für uns die freundliche Botschaft von Gottes Trost für uns. Ganz viele Menschen würden meinen, dass sie dies nicht brauchen. Manche würden vielleicht meinen, dass dieses Bild in ihnen ungute Gefühle hervorruft. Ich möchte aber nicht darauf verzichten. Gerade jetzt, wo vieles nicht mehr so ist wie bis anhin, ist es wichtig zu wissen, dass Gott ein Gott des Trostes ist, der uns auch in den schwierigen Situationen des Lebens nicht im Stich lässt.

Wahrer Trost vermittelt einem das Gefühl, dass wir wirklich wahrgenommen werden. Unsere Probleme, unsere Ängste werden nicht von heute auf morgen verschwinden. Wer so etwas sucht, sollte lieber woanders und nicht bei der Krippe suchen. Weihnachten steht dafür, dass Gott uns so annimmt, wie wir sind. Es mag sein, dass unseren persönlichen Sorgen und Probleme gross sind, aber Gott ist grösser als unser Herz. Dies kann uns einen Grund zur Hoffnung geben.

Wenn man erwachsen wird, versucht man zuerst, sich von den Eltern zu emanzipieren. Ich brauche keinen Trost. Ich schaffe es allein, mein Leben zu meistern- meinen die meisten von uns. Dann vergeht eine gewisse Zeit und wir sind froh darum, wenn unsere Eltern uns anhören, mit uns über dies und das reden. Auch dies kann eine besondere Form von Trost sein in manchen Situationen. Es gibt jemanden, der mich ohne Wenn und Aber  annimmt, mich versteht. Es gibt jemanden, dem ich alles erzählen kann, der mir zuhört, ohne mich gleich bewerten zu wollen.

Wenn dies in Bezug auf die Eltern gesagt werden kann, wie viel mehr gilt dies in Bezug auf Gott. Es ist mir durchaus bewusst, dass es auch andere Eltern- Kind Beziehungen gibt, aber dennoch… Dennoch ist es gut, daran festzuhalten, dass dies nicht die Regel ist, dass das Bild von Gott als liebender Vater und fürsorgliche Mutter das Wesentliche über Gott und über uns aussagt.

Weihnachten steht dafür, dass wir einen Ort haben, wo wir hingehen können. Egal, was mit uns im Moment gerade los ist, bei der Krippe, das heisst im Herzen von Gott haben wir alle Platz. Die grosse Freude ist, dass wir so einen Gott haben, der uns in seiner Liebe grosszügig aufnimmt.

Erlösung, von dem in unserem Predigttext die Rede ist, bedeutet genau dies: Zu erfahren, dass die Fänge der bleiernen Müdigkeit und Resignation gesprengt sind, dass wir die Möglichkeit bekommen, wieder frei atmen zu können… und darauf können wir uns freuen, denn der Herr hat nicht nur damals sein Volk erlöst und getröstet. Er ist auch heute und hier für uns da, wenn wir ihn annehmen wollen. Sein Angebot besteht….                     Amen

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