Wen suchst Du?

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(Predigt gehalten am Ostern 2025 in der Stadtkirche Zofingen)

11 Maria aber stand draussen vor dem Grab und weinte. Während sie nun weinte, beugte sie sich in das Grab hinein. 

12 Und sie sieht zwei Engel sitzen in weissen Gewändern, einen zu Häupten und einen zu Füssen, dort, wo der Leib Jesu gelegen hatte. 

13 Und sie sagen zu ihr: Frau, was weinst du? Sie sagt zu ihnen: Sie haben meinen Herrn weggenommen, und ich weiss nicht, wo sie ihn hingelegt haben. 

14 Das sagte sie und wandte sich um, und sie sieht Jesus dastehen, weiss aber nicht, dass es Jesus ist. 

15 Jesus sagt zu ihr: Frau, was weinst du? Wen suchst du? Da sie meint, es sei der Gärtner, sagt sie zu ihm: Herr, wenn du ihn weggetragen hast, sag mir, wo du ihn hingelegt hast, und ich will ihn holen. 

16 Jesus sagt zu ihr: Maria! Da wendet sie sich um und sagt auf Hebräisch zu ihm: Rabbuni! Das heisst ‹Meister›. 

17 Jesus sagt zu ihr: Fass mich nicht an! Denn noch bin ich nicht hinaufgegangen zum Vater. Geh aber zu meinen Brüdern und sag ihnen: Ich gehe hinauf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott. 

18 Maria aus Magdala geht und sagt zu den Jüngern: Ich habe den Herrn gesehen, und berichtet ihnen, was er ihr gesagt hat.

(Joh. 20,11-18)

Liebe Gemeinde,

Ostern ist ein Fest der Freude und des Lebens, ein Fest, an dem man sich darüber freuen kann, was Gott für die Menschheit getan hat. Ist es noch so?

Die Frage von Jesus an Maria gerichtet lässt mich nicht los: Wen suchst du? Wir feiern Ostern. Aber, suchen wir noch irgendjemanden? Suchen wir noch irgendetwas hinter den gewohnten Kulissen des Festes? Die Fragen, die diesbezüglich auftauchen, lassen mich nicht los. Der Verstand, mein Verstand möchte gerne verstehen, wie das mit der leiblichen Auferstehung vor sich ging. Wäre es  wirklich gut, Gewissheit zu haben? Der aufgeklärte Mensch von heute möchte alles wissen, erklären, begreifen können. Doch, und genau das ist das Faszinierende bei der Ostergeschichte- das, was tatsächlich geschehen ist, entzieht sich unseren Beobachtungen, Analysen und schlichtweg unserem Verstand. Ostern steht dafür, dass Gott keine für den Menschen als ewig scheinende Regel gelten lässt, wenn es darum geht, den Menschen auf Augenhöhe zu begegnen.  Genau darum geht es in dieser Geschichte, die wir vom Ende des Johannesevangeliums gehört haben. Mich fasziniert diese Geschichte immer wieder. Sie enthält nämlich alles, wovor dem aufgeklärten Menschen graut: mystische Gestalten, Überwindung von Grenzen, Wunder über Wunder und all das noch im Zusammenhang mit Gott. 

Wir hören von einer geheimnisvollen Begegnung zwischen einer Frau, die in ihrer Trauer versunken nichts mehr um sich herum wahrnimmt und dem Herrn des Lebens. Interessant ist dabei, dass da die Engel auftauchen, die Maria anreden. Aber worum geht es dabei?

Engel sind laut den biblischen Belegen als Boten Gottes dafür da, dass sie immer auf Gott hinweisen, auf seine Botschaft aufmerksam machen. Sie müssen Schranken durchbrechen, damit der Mensch erkennt, wie Gott in seinem Leben wirkt. Dabei sind die Engel nicht immer besondere Gestalten, aber auf jeden Fall sind sie Personen, die in ein Leben eines Menschen eintreten. Sie durchbrechen die selber aufgebauten Schranken des Lebens, damit der Mensch frei wird, Gottes Wort und Wirken wahrzunehmen. Die Barrikaden und Grenzen, die wir selber aufbauen, versperren uns die Sicht aufs Wesentliche. Deshalb muss ein Anstoss immer von aussen her kommen. Dass Gott den Menschen nicht sich selber überlässt, darüber berichtet unsere Geschichte.

Maria ist vollkommen in ihrer Trauer aufgelöst. Alle, die schon einmal jemanden verloren haben, wissen es: die Trauer und übrigens auch viele andere Emotionen wie zum Beispiel der Hass sind  sehr stark. Wir können damit nicht allein fertig werden. Das Befreiende an der Botschaft von Ostern ist aber, dass wir dies gar nicht müssen. Ganz im Gegenteil: wir dürfen darauf vertrauen, dass Gott den Menschen zu Hilfe kommt und dabei eine neue Sicht eröffnet. Oft braucht es nur wenig, damit wir aus der eisernen Umarmung des eigenen Ichs, der eigenen Bollwerke, herauskommen- wie zum Beispiel auch in dieser Geschichte. Maria möchte gar nichts ändern. Sie möchte nur eines. Ihre Trauer möchte sie ausleben können. Genau dies wird ihr durch die Begegnungen am Grab verwehrt. Sie muss etwas loslassen, nämlich ihre Trauer, damit sie frei wird für das, was danach geschieht.

Für mich steht Marias Begegnung mit den Engeln in dieser Erzählung als Bild für so manche Situationen unseres Lebens. Die Oster-Botschaft möchte die Menschen aus ihrer Reserve locken und die Freude darüber vermitteln, dass wir einen Gott haben, der sogar für uns in den Tod gestiegen ist und uns hilft, menschlicher leben zu können. Maria muss dies lernen, wie auch, dass sie die eigenen, festgesetzten Bollwerke des Lebens aufgeben muss. Sie scheint wehrlos zu sein, aber gerade darin wird sie frei und kann nun dem Auferstandenen begegnen. Die Geschichte zeugt nicht nur von Gottes Macht im Leben des Menschen, sondern  auch davon, dass Begegnungen im Alltag den Weg ebnen können, damit das Wort der Freiheit uns erreichen kann.

Maria rechnet mit nichts Aussergewöhnlichem an jenem Morgen. Gerade dies ändert sich plötzlich. Aus dem Alltag wird ein spezieller Tag der Freiheit und der Freude. Dies kann nur geschehen, weil Maria Jesus und in ihm Gottes Menschenfreundlichkeit begegnet. Doch, dazu hat sie die Vorbereitung durch die Engel gebraucht. Diese verschwinden wieder nach der ausgeführten Aufgabe. Es ist schon merkwürdig, dass man im Alltag solchen herz- und augenöffnenden Begegnungen keine besondere Aufmerksamkeit schenkt. Man nimmt sie als selbstverständlich wahr und denkt nicht viel darüber nach. Ostern steht aber auch dafür, dass man  lernen soll, mit wachsamen Augen durchs Leben zu gehen, damit die Kraft Gottes und damit auch die Hoffnung in unserem Leben wirklich wahrgenommen wird.

Für mich ist bezeichnend, dass Maria Jesus zuerst gar nicht erkennt. Sie sucht etwas, was sie nicht finden kann und damit ist ihre Sicht geblendet. Sie begegnet ihm, aber… Sie hat immer noch keine offenen Augen, aber immerhin ist sie dabei, den andern zu sehen. Sie sieht jemanden und denkt gar nicht darüber nach, wer denn dies sein könnte. Sie ist in ihrem Alltag gefangen und kann nur in den Schemata denken, die ihr vertraut sind. Gott aber ruft sie aus ihrem Alltag. Wer einmal die Kraft Gottes erfahren hat, kann nicht so tun, als wäre nichts gewesen.  Jesus zwingt Maria zu nichts. Er redet sie schlicht und einfach an. Maria muss selbst die Schlussfolgerung ziehen, dass vor ihr der auferstandene Meister steht. Für mich steht dies in einem speziellen Kontext dafür, wie Gott mit den Menschen umgeht. Die Wege, die wir gehen sind zwar Gottes Wege, aber wir dürfen uns entscheiden, welchen Weg wir nehmen. Dabei dürfen wir selbst darauf kommen, dass die Kraft Gottes auch in unserem persönlichen Leben Auswirkungen hat. Gott redet den Menschen mit seiner Botschaft von der Liebe und Menschenfreundlichkeit an, aber dabei bleibt es: den Weg selbst muss man selber gehen wollen.

Maria erkennt dies und redet Jesus mit den vertrauten Worten an, die sie so oft vorher ausgesprochen hat. Dadurch ändert sich die Geschichte. Aus einer traurigen Angelegenheit wird etwas, was Freude und Zuversicht ausstrahlt. Ostern steht für diese Freude und Zuversicht. Ostern steht dafür, dass man den Weg des Lebens getrost gehen kann, denn Gott ist mit uns, auch in den Sackgassen oder scheinbaren Sackgassen des Lebens. Maria hat dies gelernt und später davon erzählt. Und genau diese Erfahrung ist es, die wir auch machen dürfen: er lebt, damit wir in seiner Freiheit leben können. Er lebt, damit wir ihm auf dem eigenen Lebensweg begegnen können.

Ostern als ein Fest der Begegnungen macht uns darauf aufmerksam, dass wir es nicht vergessen sollten: auch in der Dunkelheit des Lebens ist Gott da und sein  Wort, das uns anredet, gibt uns die Zuversicht, auf dem Lebensweg weiterzugehen.  Er lebt. So dürfen wir im Lichte von Ostern unser Leben nach der Menschenfreundlichkeit und Güte Gottes ausrichten.

Amen

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